12. Kristallmarathon im Bergwerk Merkers

Kristallmarathon Beitragsbild

Mit Grubenlampe und Helm zum Start Untertage!

Ein bischen mulmig war mir ja schon als ich meinen Transponder in der Eingangshalle des Bergwerk Merkers für den Kristallmarathon entgegen nahm und am Handgelenk befestigte.

Der Förderkorb bringt die Starter mit 8 Metern pro Sekunde in 500 Meter Tiefe
Der Förderkorb bringt die Starter mit 8 Metern pro Sekunde in 500 Meter Tiefe

Ich blinzelte in die Sonne, schloß den  Kinnriehmen meines Helmes und ging zum Förderkorb. Mit ca. 20 anderen Startern stand ich dicht gedrängt in der vier Quadratmeter großen Kabine des Bergmannlifts und fuhr rasant in die Tiefe.

Aufgrund der Tatsache, daß die Laufstrecke mehr als 500 Meter unter der Erde liegt, ist die Teilnehmerzahl limitiert auf 750 Starter. Und das führte dazu, daß dieses extravagante Lauferlebnis bereits frühzeitig ausgebucht war. Mit Glück bekam ich noch einen Startplatz im Nachrückverfahren für den Halbmarathon.

Das Bergwerk Merkers.

Untertage angekommen wurden die Athleten auf LKWs verladen und in ruckelnder Fahrt durch die Stollen zum sogenannten Großbunker gebracht. Der „Hauptverkehrsring“ besteht nun seit schon fast 100 Jahren. Seit 25 Jahren ist das Bergwerk Merkers im Werra-Tal still gelegt und wird als Erlebnisbergwerk geführt. Somit wird in den alten Stollen nicht nur Marathon gelaufen, sondern sogar Konzerte, Firmenfeiern oder Zirkus-Vorstellungen gegeben. Die Salzkristalle sind dabei allgegenwärtig.

Bereits vor ca. 200 Millionen Jahren entstanden diese Salzkristalle und befinden sich nun bis zu 800 Metern unter der Erde. Dabei geht man davon aus, daß sich im Werra-Tal vor Jahrmillionen ein Meer befand, welches im Laufe der Zeit verdunstete. Die Lava anschließender Vulkanausbrüche begrub die Salzschichten unter sich und sollte diese erst durch den Bergbau wieder an´s Tageslicht bringen. Das kann man Untertage an den roten Gesteinsschichten erkennen.

In den 75 Jahren des aktiven Bergbau von Merkers wurde ein unterirdisches Wegenetz von über 4600 Kilometer Länge (!!!) angelegt. Zuerst mit Hammer und Meißel, später mit modernster Technik wurde das Salz abgebaut.

Salz kommt übrigens in zwei unterschiedlichen Arten vor. Als Steinsalz – auch als Speisesalz bekannt – sowie als Kalisalz. Kali ist ein natürliches Düngemittel und wird als Grundlage für diverse agrarwirtschaftlichen Produkte verwendet. Ansonsten ist Kalisalz auch für die Kunststoffproduktion erforderlich und beispielsweise Grundlage für die Herstellung der LEGO-Bausteine.

Die Laufstrecke des Kristallmarathon.

Neben der Marathondistanz wird auch ein Halbmarathon sowie ein 10k-Lauf angeboten. Alle Läufe werden auf der gleichen Strecke ausgetragen. Es wird dabei auf dem „Hauptverkehrsring“ gelaufen. Auf der 3,25k langen Runde gilt es 55 Höhenmeter zu überwinden, was für den Halbmarathon fast 400hm bedeutet. Die Beleuchtung der Strecke ist grundlegend gegeben, jedoch sind Helm und Stirnlampe Pflicht. Der Untergrund besteht zu 100% aus Gestein, meist Kalisalz. Die Temperaturen bewegen sich zwischen 21 und 26 Grad und lassen somit bereits Mitte Februar ein Lauf in T-Shirt und kurzer Hose zu 🙂

Der Start.

Nachdem der 10k-Lauf bereits in den Geschichtsbüchern stand, bewegten sich die Halb- und Marathon-Läufer pünktlich um 11 Uhr zur Startlinie im Großbunker. Da ich mich zumindest etwas warm laufen wollte, erkundete ich in den letzten Minuten vor Start den ersten Laufkilometer und kam noch gerade rechtzeitig von vorne in das dichtgedrängte Starterfeld. Der Countdown wurde herunter gezählt und mein erster Kristallmarathon begann.

Start des 12. Kristallmarathon
Start des 12. Kristallmarathon – Quelle https://www.insuedthueringen.de

Runde 1.

Rasant ging es aus dem Großbunker in die erste Steigung hinein. Bereits jetzt setzte sich ein Läufer ab und ließ das Feld souverän hinter sich. Wie sich später heraus stellen sollte, war das der Gewinner des Marathonlaufs – Felix Mayerhöfer. Danach formierte sich eine Gruppe von vier Läufern. Mit etwas Abstand folge ich. Gegen jede Vernunft versuchte ich Anschluss zu halten. Die Pace lag deutlich unter 4 Minuten pro Kilometer. Meine Beine fühlten sich frisch an und ich sprintete die Steigungen mit hinauf.

Die Gefälle lief ich zuerst etwas unsicher hinunter, da der salzige Untergrund sehr glatt aussah – so wie festgefahrener vereister Schnee – war es aber nicht. Also ließ ich es ab sofort auch bergab laufen. Eigentlich sollte diese erste Runde eine ruhige Erkundungsrunde werden …

Nach 12 Minuten und 38 Sekunden piepste der Zeitnahme-Sensor das erste Mal. 3:53 pro Kilometer. Viel zu schnell. #kopfschüttel

Hinein in die Dunkelheit
Hinein in die Dunkelheit.

Runde 2.

Ich lief an dem größten untertägig eingesetzten Schaufelradbagger der Welt vorbei und zwang mich langsamer zu laufen. Ich ließ die Gruppe ziehen und verringerte mein Tempo. In den kommenden Minuten überholten mich mehrere Läufer, was mich nicht gerade motivierte. Meine zweite Runde war geprägt vom inneren Dialog zwischen Motivation und Vernunft. Nach den ersten zwanzig Minuten wurde mein Mund sehr schnell sehr trocken und das Atmen schwerer. Das war also das Grubenklima von dem im Vorfeld gesprochen wurde. Die Luft war warm, salzhaltig und muffig. Gefühlt staubtrocken, aber wahrscheinlich mit hoher Luftfeuchtigkeit.

Die Vernunft gewann – zumindest teilweise und ich lief langsamer. Als ich erneut den Großbunker erreichte, sah ich, daß direkt neben dem Zeitnahme-Sensor ein Bildschirm aufgebaut war. Dieser zeigte die Durchlaufzeiten samt zu laufende Runden.

13 Minuten und 44 Sekunden und 5 Runden to go.

Der größte untertägig eingesetzte Schaufelradbagger der Welt.
Der größte untertägig eingesetzte Schaufelradbagger der Welt.

Runde 3.

Ich zwang mich weiterhin langsamer zu laufen und plante meine erste Verpflegung. Während des Laufens fummelte ich an der Tasche meiner Laufhose herum und förderte ein Xenofit-Gel zu Tage. Eine Hälfte gleich, die andere Hälfte kurz vor Ende dieser Runde. Die Feuchtigkeit im Mund tat gut. Ich konzentrierte mich auf die Idealstrecke und versuchte mich bergauf zu erholen. Langsam fühlte es sich an, als käme ich mit den Bedingungen gut zurecht.

Da Untertage kein GPS-Empfang möglich ist, versuchte ich mehrmals meine Pace zu errechnen. Mein Blut wurde jedoch in anderen Region benötigt 😉 Oder war der Sauerstoff-Gehalt der Luft zu gering? Wie funktioniert die Belüftung hier unten eigentlich? Ich saugte den Rest des Gels aus der Packung und blickte auf den Runden-Monitor.

14 Minuten und 3 Sekunden. 14. Platz Männer gesamt!

Die erste von zwei Verpflegungstellen
Die erste von zwei Verpflegungsstellen.

Runde 4.

Immer noch zu schnell, ich versuchte noch langsamer zu laufen, was mir nicht wirklich gelang. Langsam hörte ich auf zu denken, ließ es einfach laufen und verlor mich in Raum, Zeit und Dunkelheit. Plötzlich war kein Läufer mehr vor mir. Umdrehen wollte ich mich nicht. Wind wehte mir entgegen. Der Schein meiner Stirnlampe bewegte sich im Rhythmus meiner Schritte einige Meter vor mir auf und ab. Die Salzkristalle funkelten von den Wänden.

Ich war alleine und fühlte mich auch so. Ich rannte weiter durch die beklemmende Stille des Stollens und wußte kurzzeitig nicht mehr viele Runden ich gelaufen war. Über meinen ganzen Körper breitete sich eine Gänsehaut aus und ich fragte mich, ob ich falsch abgebogen sei. Für den Bruchteil einer Sekunde flammte der Gedanke auf, daß ich mich verlaufen haben könnte … nein, ich erkannte die Streckenführung wieder und flog das Gefälle zum Großbunker hinunter.

14 Minuten und 19 Sekunden und die Zeitnahme piepste.

Besondere Momente auf einer besonderen Laufstrecke.
Besondere Momente auf einer besonderen Laufstrecke.

Runde 5.

Und erneut ging es am Schaufelradbagger und dem Spalier an wenigen Zuschauern vorbei. Linkskurve, Griff nach dem Wasserbecher an der Verpflegungsstelle. Zusammenknicken zum Schnabelbecher und ein Schluck Kühlung. Das steilste Stück der Laufstrecke verminderte meine Geschwindigkeit und der Puls stieg erneut an. Ansonsten habe ich keine konkrete Erinnerung an diese Runde.

Es war die langsamste mit 14 Minuten 21 Sekunden. Gesamtplatzierung gehalten.

Runde 6.

Das Ende des Rennens war ab diesem Zeitpunkt für mich nun absehbar. Zwei Runden waren noch zu Laufen. Ich beschleunigte sanft und nutzte gezielt das Gefälle um Zeit gut zu machen. Meine Oberschenkel brannten inzwischen und ich spürte deutlich die gelaufenen Kilometer auf dem harten kristallenen Untergrund. Es war Zeit für erneute  Zufuhr von Mineralien. Ich zog ein Ultrasport-Gel-Chip hervor und freute mich auf etwas Geschmack.

Die Strecke wurde langsam wieder voller und ich musste beim Überholen teilweise Slalom laufen. Ich hoffte nun langsam auf das Ende des Laufs. Nicht nur körperlich, sondern auch mental war ich froh nicht den Marathon gelaufen zu sein. Sonst würden weitere sieben Runden auf mich warten. Der Runden-Monitor kam in mein Blickfeld und ich musste mich konzentrieren den jüngsten Eintrag zu erfassen.

14 Minuten und 9 Sekunden. 11. Gesamtrang! Huch!

Der kristallene Untergrund fühlt sich härter als Teer an .
Der kristallene Untergrund fühlt sich härter an als Teer.

Runde 7 und Ziel.

Der 11. Gesamtrang pushte mich in die letzte Runde hinein und ich beschleunigte weiter. Mein Puls erhöhte sich sofort. Ich schwang meine Arme deutlich, um eine größere Schrittlänge zu erreichen. Meine Beinmuskulatur brannte, meine Lunge ebenso. Doch ich lief nicht langsamer. Ich überholte weitere Athleten und hoffte insgeheim auf eine Top Ten Platzierung. Die letzten zwei Kilometer sehnte ich nur noch den Zielstrich herbei und fragte mich, warum ich denn nicht einfach langsamer lief. Es ging nicht!!!

Im Tunnel und aus dem Tunnel heraus mit Tunnelblick rannte ich ein letztes Mal durch die Zeitnahme-Stelle und in den Zielkanal hinein. Der 12. Kristallmarathon war nun in meinen Beinen und diese blieben schmerzend nach 1:36:42 h Bewegung stehen! Ich wurde auf dem 12. Gesamtrang gelistet und erreichte  somit sogar den 2. Platz meiner Altersklasse. Warum 12. und nicht 11. – wie eingangs der 7. Runde gesehen – weiß ich nicht und ist mir auch egal. Nach 22,75 Kilometer Untertage wurde mir die Medaille in Form einer Bergmanns-Fahrmarke umgehängt. Leider passte diese nicht über den Helm, so daß ich diesen abziehen durfte. Endlich!

Helm runter, Lampe aus, Beine hoch und warten auf die Tag-Fahrt: Glück auf!
Helm runter, Lampe aus, Beine hoch und warten auf die Tag-Fahrt: Glück auf!

Nach sechs Stunden Untertage sehnte ich mich nach frischer Luft, Sonnenschein und Himmel. Der Shuttle zum Förderkorb war jede Stunde möglich und als Letzter bekam ich noch einen Platz für diese Tagfahrt. Kurz entschlossen packte ich meine Sachen und ließ damit die Siegerehrung sausen. Doch ich wollte nur noch Übertage. Duschen. Frische Luft und Wind spüren.

Der Kristallmarathon tief im Inneren der Erde ist eine einzigartige Veranstaltung! Dank der perfekten Organisation und Kooperation des Triathlonverein Barchfeld mit den Bergleuten des Bergwerk Merkers gehört dieser Lauf meines Erachtens in die Kategorie „Einmal im Leben erleben“ und somit Prädikat: Einzigartig!

 

Weitere Berichte zum 12. Kristallmarathon Merkers:

https://www.runnersworld.de/marathon/merkerser-kristallmarathon-eisenach-2018-die-bilder.524112.htm#118

https://www.insuedthueringen.de/sport/lokal/th/lokalsport/lokalsportbadsalzungen/Rekordbeteiligung-beim-Kristallmarathon;art83539,5989076

 

Kristallmarathon Merkers

Typ: Halbmarathon Untertage

Distanz: ca. 22,75 k

Datum: 18.02.2018

Nenngeld: 55 €

Laufstrecke:

3,25k im Erlebnisbergwerk Merkers in ca. 500 Meter Tiefe, Untergrund zu 100% Salz- und Kaligestein, ca. 55 hm pro Runde, welche beim HM 7x gelaufen wird

Organisation
80%
Strecke
80%
Publikum
20%
Erlebnis
99%
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