Zwischen Ponte Vasca da Gama und Parque das Nações!
In den Jahren 2003 bis 2007 besuchte ich Portugal regelmäßig zum Wellenreiten. Dieses Jahr bot sich endlich die Gelegenheit „meinen altersgerechten“ Sport in diesem wundervollen Land auszuüben. Ich meldete mich für die Triathlon Mitteldistanz bei der Challenge Lisboa.
Diese Veranstaltung ist schon seit einigen Jahren etabliert und lief letztes Jahr zum ersten Mal unter der Flagge der Challenge Family. Das Rennen wurde an das erforderliche Mitteldistanz-Format von 1,9k Schwimmen, 90k Radfahren und 21k Laufen weitestgehend angepasst und in gewohnter Challenge-Qualität und -Branding ausgetragen.
Besonders angenehm empfand ich die Option des Late-Bike-Checkin direkt am Rennmorgen. Natürlich nahm ich diesen in Anspruch und der übliche Bike-Checkin am Vortag entfiel somit. Und so konnte ich tags zuvor bequem mit MTB und Chariot-Anhänger und meinen Kindern die Startunterlagen abholen, über die Aussteller-Expo und das Veranstaltungsgelände schlendern ohne mich direkt schon um rennspezifische Vorbereitungen kümmern zu müssen. Der Parque das Nações ist wirklich beindruckend und ein idealer Ort für die Challenge Lisboa. Das gesamte Gelände wurde anlässlich der Weltausstellung 1998 errichtet und liegt an der nordöstlichen Tejo-Mündung. Die Sehenswürdigkeiten der damaligen Expo können besichtigt werden und wurden sogar erweitert. So gibt es nun neben der Vielzahl an Gärten, Gebäuden und Skulpturen auch ein Ozeanarium, ein Spielkasino, diverse Ausstellungen und eine Seilbahn, mit der man sich einen Überblick von oben verschaffen kann.
Das Panorama am Rennmorgen war dementsprechend beindruckend als ich um ca. 6:15 Uhr mein Triathlonrad in die Wechselzone schob. Direkt neben einem riesengroßen Hangar nestelten ca. 1.000 Athleten an Ihren Bikes, Rad- und Laufbeuteln herum und transportierten eine Atmosphere knisternder Anspannung. Als ich meinen After-Race-Beutel auf den LKW warf, war es noch ca. eine halbe Stunde bis zum Schwimmstart. Zeit meinen Neopren-Anzug anzuziehen und nochmals die Bojen in der Marina des Parque das Nações zu begutachten. Der Schwimmkurs der Challenge Lisboa hat es nämlich in sich! Ich war froh, daß ich auf dem Weg zum Start eine Athletin mit einem Ausdruck der Schwimmstrecke traf:
Das Bild des Schwimmkurses spricht für sich. Bei keinem meiner Triathlon-Teilnahmen hatte ich es mit so einem zackigen Schwimmkurs zu tun… naja, irgendwie musste man ja auf die 1,9 Schwimmkilometer kommen 😉
Schwimmstart.
Zuerst starteten die Profi-Männer und -Frauen sowie ide Altersklasse-Athleten bis AK3, danach durften alle „Veteranos AgeGroup 40+“ in den Startbereich. Das Wasser des Tejo war erstaunlich kalt. Temperaturangabe seitens des Veranstalters gab es keine, jedoch durften es gefühlte 15 oder 16 Grad gewesen sein. Es blieben nur ein, zwei Minuten für ein kurzes Einschwimmen und unvermittelt trötete das Starthorn.
Hunderte Arme und Beine wühlten plötzlich das Wasser auf und ich versuchte es direkt mit der Flucht nach vorne. Nach den ersten hundert Metern beruhigte sich die Situation etwas und die Anzahl an Armen und Beinen um mich herum nahm ab.
Soweit es das trübe Wasser zu ließ verließ ich mich auf die Beine der Vorschwimmer. An der ersten Boje gab es ordentlich Prügel und ich wurde überschwommen. An der zweiten Boje klappte die Wende reibungsfrei. Die lange Gerade zurück, die leicht quer geschwommen werden musste, bereitete aus meiner Perspektive allen Athleten um mich herum Probleme und das Feld ging weiter auf. Daraufhin entstand zwar mehr Schwimmfreiheit, allerdings schwamm ich vermutlich keine Ideallinie. Aber egal, ich hatte meinen Ryhtmus gefunden.
Die nächsten fünf Wenden verliefen unspektakulär und ich ging nach ca. einer halben Stunde auf die Zielgerade. Jetzt sollte es noch etwas tricky werden. Der Schwimmausstieg befand sich direkt an der Kai-Mauer des Hafenbeckens und führte über eine ca. ein Meter breite Rampe nach oben. Wie in einem Trichter schwammen nun alle Athleten auf diesen Punkt zu und es kam zu Körperkontakt und Wartezeiten im Wasser. Es konnte nur ein Athlet hinter dem anderen die schmale Rampe hochlaufen. Auf der Kai-Mauer angekommen piepste die Zeitnahme-Matte und ich stoppte für die erste Disziplin 32 Minuten 28 Sekunden.
Wechsel 1.
Für mich persönlich keine top aber durchaus gute Zeit. Wirft man grundsätzlich einen Blick auf die Schwimmzeiten, so fällt auf, daß diese alle etwas langsamer zu sein scheinen. Aufgrund der Vielzahl an Wenden, Mehraufwand für Orientierungszüge sowie des enges Schwimmausstiegs nur logisch.
Nun aber hinein in die Wechselzone. Gücklicherweise fand ich auf Anhieb gleich den richtigen Korridor und konnte meinen Wechselbeutel vom Haken nehmen. Noch während des Laufens vergewisserte ich mich, ob auch der richtige Inhalt im Beutel war. Ja. Sehr gut. Neoprenanzug raus, Helm auf, Gels in die Taschen und raus aus dem Wechselzelt. Die Schuhe waren am Rad, Sonnenbrille auch. So musste ich mein Bike nur noch von der Stange nehmen und Richtung Bike-Exit schieben.
Radfahren.
Die vor mir liegenden 90 Radkilometer der Challenge Lisboa waren als Wendepunkt-Strecke zu fahren. So ging es vom Vasco da Gama Shopping Center nördlich am Tejo entlang hinaus aus der Stadt Lissabon. Es wurden zu diesem Zwecke die A30, N10 sowie A9 komplett gesperrt! D.h. die Athleten hatten zuerst zweispurige Stadt- und National-Strassen und gegen Ende sogar Autobahn-Abschnitte mit drei Spuren zur Verfügung. Irre! Und in Deutschland nicht vorstellbar!!
Der Wendepunkt der Radstrecke erwartete einen auf dem höchsten Punkt des Radkurses. Von da an ging es dem Parque das Nações wieder entgegen und es standen nach Ende der ersten Runde ziemlich genau 22 Kilometer auf der Uhr. Die Wendepunkt-Strecke war vier mal zu fahren, so daß die Radstrecke erwartungsgemäß etwas kürzer ausfallen würde.
Ich hatte auf der ersten Runde sehr genau darauf geachtet nicht zu überpacen und sobald die Anzeige meines Powermeters über 260 Watt zeigte sofort Druck reduziert. Es war Mitte Mai und somit noch verhältnismäßig früh in der Saison. Meine Trainingsfahrten über 90 Kilometer konnte ich trotz guten Wetters in Deutschland an einer Hand abzählen. Darüber hinaus wollte ich für die Winde gewappnet sein, die erfahrungsgemäß in der zweiten oder dritten Radrunde aufkommen sollten. Und natürlich für den abschließenden Halbmarathon.
Die Challenge Lisboa warb im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Slogan „Race one of the fastest bike courses in the world!“ Das hört sich als Zeitfahrer natürlich sehr verlockend an. Auf der Autobahn-ähnlichen Radstrecke kommt auch Geschwindigkeitsrausch auf, jedoch darf man dabei Wind und Höhenmeter nicht ganz vergessen!
Und in der dritten Runde durfte ich tatsächlich aufgrund der steigenden Temperaturen den Nordost-Wind das erste Mal für fast 10 Kilometer im Gesicht haben. Genau zu diesem Zeitpunkt überholte mich der erste Profi. Das müsste Jaroslav Lovacic gewesen sein. Etwa eine Minute später folgten Patrik Dirksmeier, João Ferreira und Lukas Kramer. Die Jungs waren 15 Minuten früher gestartet und befanden sich nun auf der letzten Radrunde. Und damit blieb Ihnen das meiste des aufkommenden Windes erspart.
In der vierten Runde füllte sich die Radstrecke wieder und die Athleten der Olympischen Distanz kamen hinzu. Frischen Mutes und Energie stampfen die Athleten los. Ich hingegen spürte meine Beine nun deutlich und konzentrierte mich auf kontrollierte Leistung und pünktliche Ernährung. Der Wind verringerte nochmals meine Durchschnittsgeschwindigkeit bevor ich ein letztes Mal den Wendepunkt erklomm. Nach eigener Messung waren es in Summe 743 Höhenmeter. Für einen flachen Radkurs nicht gerade wenig.
Hier die nackten Fakten der zweiten Disziplin:
88 Kilometer, 2:27:30 Fahrzeit, 244 Watt, 743 hm, windanfällige Strecke, ca. 36 km/h, Spaßfaktor Autobahn 🙂
Wechsel 2.
Die Temperaturanzeige des Vasco da Gama Shopping Center zeigte inzwischen 24 Plusgrade als ich mein Bike in die Wechselzone schob und mit dem Sattel an die Stange hing. Mit leicht unsicherem Schritt lief ich zu den Lauf-Wechselbeuteln und musste leider etwas suchen bis ich meinen mit der Startnummer 368 fand. Socken, Schuhe, Gels, Mütze und Brille hatten schnell Ihren Platz und ich hoffte das beste für den Lauf.
Lauf.
Die Teilnehmer der Challenge Lisboa erwartet auch hier eine Wendepunkt-Strecke die 4x zu absolvieren war. Zuerst nördlich den Tejo hinauf, dann wieder hinunter durch das komplette Expo-Gelände und wieder zurück. Die Runden wurden durch Wettkampfrichter manuell mitgezählt und nach der vierten Runde durfte man auf den lezten roten Kilometer abbiegen. Rot deshalb, da der Weg zum Zielbogen mit Challenge-Teppichen ausgelegt war. Bis ich diesen allerdings betreten durfte, sollten noch etwa 1,5 h vergehen.
Die erste Runde war grundsätzlich ok und ich konnte meine angepeilte Pace von „sub 4:30“ halten. In der zweiten Runde gelang mir das nicht mehr. Die Hitze machte mir zu schaffen. Und vermutlich die Renndauer. Und mein Minimum an Training der letzten Wochen. Und und und … letztendlich war Runde 3 und 4 ein Durchschleppen und ich musste mich mittels Auto-Suggestion immer wieder positiv überzeugen nicht stehen zu bleiben. Sondern weiter zu machen, denn es ist einfach grandios in dieser Stadt, in dieser Umgebung ein Rennen bestreiten zu dürfen! Es ist in den ersten beiden Disziplinen gut gelaufen! Ich darf mich glücklich schätzen gesund zu sein und diesen Sport ausüben zu können! Fakten bzw. Mantras wie diese waren es, die mich letzendlich in´s Ziel brachten. Darüber hinaus gelang es mir auch das Rennen während der nicht so glorreichen letzten Disziplin zu genießen!
Auch hier noch die nakten Fakten:
19,3 Kilometer (auch etwas kürzer als ausgeschrieben, in diesem Falle kam mir das aber entgegen ;-)), 1:31:15 Laufzeit, 141 hm, 4:43 Pace, heiß-heiß-heiß!
Ziel.
Die letzten Meter der Challenge Lisboa fühlten sich toll an! Nicht nur wegen des roten Teppichs 😉 Die Zuschauer freuten sich! Ich freute mich und bejubelte mich selbst. Insbesondere nach der Anstrengung des Halbmarathon-Tiefs weiter durch die Hitze zu rennen und nicht aufgegeben zu haben, kam beim Überqueren der Ziellinie einer Erlösung gleich. Medaille um den Hals, Zeitnahme-Chip weg und ab zum Verpflegungsstand! Cola, Wasser, Iso, Orangen! Und davon innerhalb der nächsten viertel Stunde soviel ich schlucken konnte 🙂
Die Ergebnisse konnte ich nirgends finden, deshalb reihte ich mich gleich – mit Getränken bewaffnet – zur Massage ein. Dort unterhielt ich mich mit einem Spanier, den ich bereits vor dem Rennen kennen gelernt hatte. Auch ihm ergang es beim Lauf nicht wirklich gut und wir teilten unsere Erlebnisse. Über sein Smartphone checkte er die Live-Ergebnisse des Rennens und ich erfuhr von ihm meine Platzierung bei der Challenge Lisboa 2018:
Gesamtzeit: 4:35:18
Gesamtrang: 97 von 478
AK Veterano M40: 12 von 88
Der Gesamtsieger Pablo Dapena war 56 Minuten und 6 Sekunden schneller. Nur 36 Sekunden später kam Patrick Dirksmeier ins Ziel. Und nochmal 34 Sekunden später kompletierte Jaroslav Kovacic das Podium! Wahnsinn! Und Glückwunsch an alle Finisher! dieses sehr empfehlenswerten Rennens der Challenge-Serie!
Challenge Lissabon
Typ: Triathlon
Distanz: 1,9 – 90 – 21 k
Datum: 19. Mai 2018
Nenngeld: 250 €
Schwimmstrecke:
Zickzack-Kurs durch die Marina des Parque das Nações, 7 Bojen zu umschwimmen, ca. 16 Grad Wassertemperatur, trübes Tejo-Flußwasser
Radstrecke:
4 Runden, Wendepunktstrecke, zum Großteil flach, zwei- und dreispurig, teilweise Autobahn, Asphalt ok, teilweise Schlaglöcher, WINDANFÄLLIG, ca. 743 hm
Laufstrecke:
4 Runden, Wendepunktstrecke im Parque das Nações, Untergrund wechselt von Asphalt, Beton, Kies- und Naturweg, ca. 141 hm