Dreck und Silber beim Xterra Sprint Lago di Garda

XTERRA Lake Garda - Beitragsbild

Kaltes Seewasser, steile Anstiege und Parmesan im Ziel!

Das vierte Rennen meiner diesjährigen MultiSport-Saison fand am Südwestufer des wunderschönen Gardasee statt. Die Gemeinde Toscolano-Maderno, welche zur Provinz Brescia in der Lombardei gehört, besteht eigentlich aus den ehemaligen Städten Toscolano und Maderno. Diese beiden Örtchen – seit 1928 vereint – werden nur noch durch den Wildbach Toscolano getrennt und sind Heimat und Rennstrecke des Xterra Lago di garda. Das Xterra-Label ziert dieses Cross-Triathlon-Event erst seit letztem Jahr. Die Zeit davor war diese Veranstaltung unter dem Begriff X-Gardaman bekannt.

Der Xterra Lago di Garda bietet nebem dem vollen Format (1,5/30/11k) auch eine kürzere Sprint-Variante (0,75/12/5k). Um ein weiteres intensives Rennen zu simulieren und im Anschluss nicht allzu lange Regenerationsszeiten zu benötigen, beschloss ich die Sprint-Variante in Angriff zu nehmen. Es würde also von Anbeginn in den roten Bereich gehen …

Schwimmstart.

Bereits 20 Minunten vor dem Start schwamm ich mich warm. Und das war bei Wassertemperaturen um die 14 Grad defintiv notwendig. Ich wusste, daß ich bei derartig kalten Temperaturen meinen persönlichen „Woosh-Effekt“ bekam. Das verläuft dann in den ersten paar Minunten meist so: Mir bleibt die Luft zum Atmen weg, das Gesicht schmerzt vor Kälte und meine Arm- und Bein-Muskulatur fühlt sich schwer und träge an. Höchst unangenehm und ich kann nur langsam vor mich hin kraufeln. Nachdem sich mein Kreislauf an die kalte Umgebungstemperatur gewöhnt hat, gehts dann meist wieder, so daß ich  dann relativ flüssig schwimmen kann.

XTERRA Lake Garda - die Ruhe vor dem Sturm und vor der Kälte - photo credit: XTERRA
XTERRA Lake Garda – die Ruhe vor dem Sturm und vor der Kälte – photo credit: XTERRA

Der Wind pfiff durch die Reihen der Athleten, als wir uns in die Startbox schoben. Die Luft hatte ungefähr die gleiche Temperatur wie das Wasser und ich konnte es kaum erwarten, daß es endlich los ging. Die letzten

XTERRA Lake Garda - 14 Minuten Kälte waren überstanden
XTERRA Lake Garda – 14 Minuten Kälte waren überstanden

Frauen drängten sich nach vorne und nahmen Startaufstellung ein. Der Startschuß fiel und alle männlichen Athleten rückten auf. Fünf Minuten nach dem Frauenstart war es dann soweit. Das Rennen begann!

Die ersten zweihundert Meter führten geradewegs in den See hinein und das Gerangel um die besten Beine war sehr ausgeprägt. Es schwammen Athleten über mich drüber, ich bekam Tritte und Schläge ab. Mein Adrenalinspiegel stieg rapide an und ich kraulte mich frei. Die Kälte des Seewassers führte erneut zu Atem-Problemen. Nach zwei, drei Minuten hatten sich die meisten Athleten „einsortiert“ und es konnte nun geregelt geschwommen werden.

Links nach der ersten Wendeboje musste eine ca. 400m lange nördliche Gerade geschwommen werden, bevor es erneut links Richtung Ufer ging. Der Wind peitschte das Wasser auf und es bildeten sich Wellentäler von ungefähr 30 cm Tiefe. Ich musste mehrmals inne halte, um die nächste Boje auszumachen. Die Kombination aus Wellen und Kälte kosteten für dieses Teilstück sehr viel Kraft. Als ich die zweite Wendeboje erreichte und danach in Richtung Ufer abbog, wurde das Wasser sofort ruhiger und ich konnte meine Geschwindigkeit erhöhen. Mit einer Schwimmzeit von 14 Minuten und 3 Sekunden beendete ich die langsamsten 750 Schwimmmeter meines Lebens. Und ich war so froh nicht noch eine Runde schwimmen zu müssen, wie die Athleten der „full distance“.

Wechsel 1.

Auf dem Weg in die Wechselzone zog ich meinen Neoprenanzug bis zur Hüfte herunter. Ein Blick in Richtung Himmel zeigte mir, daß die dichte Wolkendecke aufgebrochen war und die Sonne durch ließ. Es wurde endlich wärmer. Ich schlüpfte barfuß in meine Radschuhe, zog mir das Startnummern über und schnappte mir mein MTB. Ich freue mich auf die nächste Disziplin.

Radfahren.

Den ersten Kilometer preschten die Athleten an der Strandpromenade entlang, durch ein Spalier an Zuschauern, in Richtung Altstadt. Die Querung der Hauptstrasse wurde elegant mit der ersten Tragepassage gemeistert. Runter vom Rad und ein dutzend Stufen hinab, einige Meter durch die Unterführung und auf der anderen Seite wieder hinauf. Diese erste Schikane ließ meinen ohnehin schon hohen Puls noch höher schlagen.

Die Strecke führte in die Altstadt von Maderno hinein. Ich raste an wunderschönen Fassaden vorbei. Der Metzger, Frisör und weitere Anwohner lugten vorsichtig aus Ihren Häusern hinaus und feuerten uns teils frenetisch, teils verhalten oder gar irritiert an. Die engen verwinkelten Gäßchen boten einige schwierige 90°-Kurven und dabei ging es immer konstant bergauf.

XTERRA Lake Garda - hinauf in die Altstadt von Maderno - photo credit XTERRA
XTERRA Lake Garda – hinauf in die Altstadt von Maderno – photo credit XTERRA

Mit drei anderen Athleten fuhr ich aus der Altstadt von Maderno hinaus und unterhalb des benachbarten Dörfchen Maclino vorbei. Meine Oberschenkeln brannten aufgrund des harten Tritts und der permanten Steigung. Ich blickte auf meinen Tacho und sah, daß wir auf den ersten 3,5k bereits 224 Höhenmeter erklommen hatten. Der Untergrund wechselte nun vom Teer in´s Gelände und es wurde noch steiler. Ich atmete im Takt des Wortes „bergauf“ und trieb mich in dessen Rhytmus immer weiter hinauf. Bergauf, bergauf mit bis zu 23% Steigung!

XTERRA Lake Garda - nach der Altstadt weiter hinauf in die Berge.
XTERRA Lake Garda – nach der Altstadt weiter hinauf in die Berge.

Da ich tags zuvor die Strecke abgefahren war, wusste ich, daß nun die zweite Trage-Passage auf mich wartete. Zuerst einen kleinen grassbewachsenen Hang hinauf. Danach einige Stufen, um noch einen weiteren kleinen Wall zu erklimmen. Im Anschluss boten sich ca. zwei flache Meter an, um wieder aufsteigen zu können. Danach ging es nämlich direkt wieder … bergauf!

Einige Minuten später konnte ich nun erstmals Durchschnaufen. Eine kurze Abfahrt bot diese Gelegenheit und führte über einen aus Zement gegossenen Feldweg. Nach nur wenigen hundert Metern sah ich zur linken idyllisch einen Wasserfall in die Tiefe stürzen. Der Weg wurde flacher und oberhalb dieses Wasserfalls querte die Rennstrecke durch den Fluß. An dieser Stelle war das Flußbett einige Meter breit, durch große flache Felsen befestigt und nur wenige Zentimeter tief. Das kalte Bergwasser spritzte an mir empor als ich hindurch preschte.

Weniger hundert Meter danach stieg der Weg erneut an. Bergauf, bergauf an italienischen Berg-Bauernhöfen vorbei und sogar durch einen hindurch. Mein GPS-Tacho zeigte mir wahnwitzige 28% Steigung und ich kurbelte mich auf dem kleinsten Kettenblatt und Ritzel mit 4 km/h in die Höhe!

XTERRA Lake Garda - am Ender einer sehr technisch anspruchsvollen Abfahrt

XTERRA Lake Garda – am Ender einer sehr technisch anspruchsvollen AbfahrtUngefähr bei Radkilometer 7,5 war aber dann mit 405 Höhenmeter Anstieg die Kletterarbeit geschafft. Nun begann der technische Teil der Strecke. Direkt am Berghang ging es auf Single-Trails in´sTal hinunter – mit bis zu 35 km/h durch´s Gebüsch! Da darf man sich keine Sinn-Fragen stellen 😉

Nun hieß es aber „Attenzione“. Dies stand auf einem großen Hinweisschild und jetzt wusste ich, daß ich das Tempo verringern musste. Es folgte ein stark zerklüfterter, ausgespühlter Trail-Abschnitt mit losem grobem Geröll und kokusnussgroßen Felsbrocken. Und das bei extremen Gefälle! Meine Arme und Oberschenkel schmerzen vor Anspannung! Ich hoppelte diese Geröllrinne hinunter und musste mein ganzes fahrerisches Können aufbringen. Mein Oberkörper lag auf dem Sattel, und mein Gesäß musste ich dabei soweit nach hinten verlagern, um mich nicht zu überschlagen! Dabei saß ich einmal mit meinem Hintern auf dem Hinterreifen auf und war heilfroh, als dieses Teilstück abrupt vor der Villa Maffizzoli endete.

XTERRA Lake Garda - nicht nur hoch, sonder auch durch Berge ;-) - photo credit XTERRA
XTERRA Lake Garda – nicht nur über , sondern auch durch Berge 😉 – photo credit XTERRA

Die letzten Kilometer führten auf Naturwegen, teils durch dunkle und naße Tunnel, zurück in Richtung Toscolano-Maderno. Am Flußbett des Toscolano angekommen, konnte ich die letzten Minuten vor dem 2. Wechsel nutzen, um mich mental auf die kommende Disziplin einzustellen.

Wechsel 2.

Erneut an meinem Wechselplatz angekommen, lief alles in sekundenschnelle ab. Aufgrund der Kürze der Distanz brauchte ich weder Ernährung noch Getränke. Lediglich Schuhe. Kaum hatte ich diese an, raste ich auch schon wieder aus der Wechselzone hinaus in Richung Strandpromenade.

Laufen.

XTERRA Lake Garda - raus aus der Wechselzone, hinauf zur Altstadt
XTERRA Lake Garda – raus aus der Wechselzone, hinauf zur Altstadt

Die ersten 1,5 Laufkilometer waren identisch zur Laufstrecke. Somit wusste ich, daß ich bis zur ersten Schikane – der Unterführung – noch einige Minuten Zeit hatte, um in´s Lauf zu finden. Doch diese Findungsphase brauchte ich erstaunlicherweise nicht. Ich hatte den Eindruck, daß ich sofort in meinem Element bin! Und dies beflügelte mich zu diesem Zeitpunkt sehr! Die voran gegangenen Strapazen waren mit einem Male vergessen. Ich freute mich auf die kommenden Höhenmeter, auf die verwinkelten Gässchen der Altstadt, auf einen schnellen Lauf!

Die erste Steigung kam und es tat weh, doch spornten mich in diesem Augenblick die anderen zwei Athleten an, auf die ich aufgelaufen war. Ich zögerte nicht lange und überholte! Wider Erwarten ging keiner der beiden mit und der Abstand wurde sofort größer. Muskulär fühlte ich mich zwar stark strapziert, doch alles in allem sehr gut!

Die Laufstrecke verzweigte sich nun in den Gassen von Maderno und ich war allein. Kein Athlet weit und breit. Ich musste mich auf die Streckenkennzeichnung konzentrieren. Immer wieder suchte ich an den Hauswänden nach den kleinen roten Xterra-Schildchen. Meist fand ich sie, oft auch handgemalte rote Pfeile auf dem Boden.

Als es schließlich durch den Vorgarten des Radhauses ging, kam ein weiterer Athlet in Sicht. Es wurde flach, es ging bergab. Ich beschleunigte erneut so gut ich konnte und kam näher. Die nächsten Meter forderten meinen Muskel – und Halte-Aparat und somit die Fuß-, Knie- und Beckengelenke extrem. Äußerst steile Gäßchen mit grobem Teer führten hinunter in Richtung Flußbett. Ich flog fast hinunter und spürte formlich den Abrieb meiner Sohlen!

XTERRA Lake Garda - Laufkilometer 3,5k - photo credit: XTERRA
XTERRA Lake Garda – Laufkilometer 3,5k – photo credit: XTERRA

Am Toscolano angekommen ging es nun über Graß und Geröll wellig am Flußbett entlang. Die letzten zwei Kilometer der Laufstrecke waren identisch zur MTB-Strecke und ich musste immer wieder Athleten auf Ihren Rädern passieren lassen. Meine Komfortzone hatte ich inzwischen verlassen – wie auf dem Bild oben ersichtlich.

Einige hundert Meter später kamen zwei Athleten in Sicht. Langsam aber sicher kam ich näher. Ich überlegte kurz, ob ich auf- und erst einmal mitlaufen sollte. Als ich dran war, merkte ich, daß deren Pace mit ca. 4k/min. nicht langsam war. Ich pokerte und lief viel zu schnell an Ihnen vorbei. Dabei hielt ich das Tempo so lange ich konnte hoch. Ehrlicherweise wartete ich nur darauf, daß ich exlodierte! Ich drehte mich um und sah die beiden Athleten wieder näher kommen! Blick zurück nach vorne. In diesem Augenblick bog ich auf die Zielgerade ein. 500 Meter all out! Aua! Meine Atmung wurde hörbar! Ich sprintete …

Ziel.

Ich sprintete mit einer 3:37er Pace in Richtung Zielbanner! Und blickte mich ca. 50 Meter vor dem Ziel erneut um… der Abstand zu den beiden Verfolgern war deutlich gewachsen! Mein Puls hämmerte. Stop! Es war vorbei. Ich merkte kaum, wie mir der Zeitnahmechip am Fuß abgenommen und die Xterra-Finisher-Medaille umgehängt wurde. Und doch wusste ich sofort, daß es ein verdammt gutes Rennen war!

Ich ging zum Finisher-Buffet und genehmigte mir einige Birnensaftschorlen bevor mein Blick auf Salami, Schinken und Parmesan fiel! Bella Italia, ti amo! Erstaunt griff ich zu und genoß frischen köstlichen Parmesan nach diesem grandiosen Cross-Triathlon-Vormittag 🙂

Direkt hinter dem Zielbogen war eine fünf mal drei Meter große Leinwand aufgebaut, auf der die Live-Ergebnisse des Rennens zu sehen waren. Oliver Arera von Imhoff: 19. Male overall sowie 2. in der Categoria Male1 – also ein Platz unter den Top20 sowie auf dem Altersklassen-Podest rechts vom Sieger! Was für ein Tag!

XTERRA Lake Garda - die Luft war gut hier oben :-)
XTERRA Lake Garda – die Luft war gut hier oben 🙂

 

XTerra Lago di Garda

Typ: Cross-Triathlon Sprint

Distanz: 0,75 – 12 – 5 k

Datum: 26. Mai 2019

Nenngeld: 79 €

Schwimmstrecke:

Landstart auf groben Kiesstrand; Viereckskurs im Gardasee mit 750m; zu dieser Jahreszeit ist der Gardasee mit ca. 14 Grad noch sehr kalt; je nach Witterung kann es zu Wellen kommen – 2019 waren es aufgrund des Wind ca. 30cm tiefe Wellentäler

Radstrecke:

eine große Runde mit zwei Tragepassagen, von Seehöhe über die Promenade hoch in die Altstadt von Toscolano-Maderno, weiter in die Weinberge und weiterhin sehr steil hinauf, um ab Radkilometer 7 über anspruchsvollen Untergrund abzufahren; teilweise extrem steinig auf ca. 40% Single-Trails, ca. 20% geteerte Strasse, ca. 400 hm sind zu bewältigen, steilste Stelle mit 28% lt. persönlicher GPS-Messung

Laufstrecke:

eine Runde über haupsächlich Asphalt, Kies- und Naturweg, von der Seepromenade hinauf in die Altstadt durch verwinkelte Gäßchen und durch den Vorgarten des Rathauses hinunter zum Fluss Toscolano und am Flußbett über Grass- und Schotterwege zurück zur Seepromenade, ca. 50 hm

Organisation
95%
Strecke
90%
Publikum
80%
Erlebnis
100%
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