Mein Teufelsrennen auf´s Schilthorn

Inferno Triathlon - Beitragsbild

„Das Höchste an Erlebnis“

Liebes Inferno-Organisationskomitee, Euer Slogan trifft den Triathlon-Nagel auf den Athleten-Kopf! Der Inferno Triathlon ist definitiv das Höchste an Erlebnis. Aber auch das Härteste! Eigentlich kann Pelé als Weltfußballer die Strapazen eines Triathleten nicht mal ansatzweise nachvollziehen, doch könnte sein Zitat nicht treffender sein: „Je schwerer der Sieg, desto größer die Freude am Sieg.“ Und dieser Sieg dauerte für mich nicht immer einfache 11 Stunden 48 Minuten und 19 Sekunden. Dieser sehr persönliche Sieg wurde aus Mut, Motivation, Geschick, Freude, Angst und Respekt gleichermaßen gemacht. Und natürlich auch ein bischen durch Training 😉 Aber das wichtigste dabei war tatsächlich der permante Glaube an mich selbst, den Teufelskerl ;-).

Ganz ehrlich, es war Neuland für mich. Nie war ich in einem Wettkampf länger unterwegs! Nie hörte ich mehr in meinen Körper hinein! Nie war der Wettkampf vielfältiger, härter aber auch abwechslungsreicher! Nie war die Landschaft beindruckender! Nie war die Stimmung so optimistisch, so gut, so ehrlich, so respektvoll! Aber auch nie war so viel Equipment und Vorbereitung erforderlich.

Der Tag davor … preparation day!

Aber hey, jede gute Party will noch besser vorbereitet sein! Deshalb reiste ich mit meinen Startunterlagen, die ich bereits mit der Post zugesandt bekam, zwei Tage vor dem Wettkampftag nach Thun im Berner Oberland. Nicht die Landschaft und das Format des Inferno Triathlon ist besonders, damit auch die Anzahl der Wechselzonen. Denn das sind beim Inferno drei an der Zahl. Die folgende Karte veranschaulicht die Streckenführung. Bei allen Ortsnamen ist etwas zu erledigen. Angefangen links oben, beim Schwimmstart im Strandbad Thun. Abgabe der After-Race-Beutel.

Inferno Triathlon - Streckenführung - photo credit: Inferno OK Team
Inferno Triathlon – Streckenführung mit farblich markierten Disziplinen – Photo credit: Inferno OK Team

In Oberhofen befindet sich die Wechselzone für den Wechsel vom Schwimmen auf das Rennrad – für den Rest de Blogposts verwende ich die Schweizer Orginal-Bezeichnung: Rennvelo! Das passt einfach besser. In Grindelwald findet der zweite Wechsel vom Rennvelo auf das Mountainbike statt. Und in Stechelberg tauschen die Athleten beim dritten und letzten Wechsel das Mountainbike gegen die Laufschuhe ein. Auf der Aussichtplattform Piz Gloria, hoch oben auf dem Schilthorn, endet das Teufelsrennen. Zwischen Start und Ziel wartet ein besonderes Triathlon-Abenteuer auf die Teilnehmer. Mit gut 155 Kilometern geht es nicht nur weit in´s Berner Oberland, sondern auch hoch hinaus:

Inferno Triathlon - Höhenprofil - photo credit: Inferno OK Team
Inferno Triathlon – Höhenprofil mit farblich markierten Disziplinen – Photo credit: Inferno OK Team

In Summe sind 5.500 Höhenmeter zu erklimmen. Auf unterschiedlichstem Terrain. Von geteerter Straße über Schotterwege bis zum Klettersteig müssen die Athleten Ihr Können und Vorankommen beweisen, um letztendlich über die höchst gelegene Finishline der Welt zu laufen – auf sage und schreibe 2.970 Metern über dem Meer!

Schwimmen – 0 hm auf 3,1k.

Und aller Anfang beginnt in Thun auf 552 Metern. Um kurz nach sechs blinzelte ich vom Ufer des Thuner Strandbads voller Ehrfurcht über den See in Richtung der Berner Alpen. Und tatsächlich erblickte ich in der Ferne über dem Gebirgsmassivs ein helles Funkeln und wußte zugleich, das war die Finishline des Inferno Triathlon! Dort auf der Aussichtsplattform des Piz Gloria werde ich irgendwann heute Abend zurück in´s Tal blicken! Zurück auf einen intensiven und (hoffentlich) erfolgreichen Tag! Doch zunächst schloß ich den Reißverschluss meines Neoprenanzugs und schritt in Richtung Schwimmstart.

Video Credit: Andrea Stenke – Danke für dieses Kurzvideo das die Stimmung an diesem Morgen wunderbar einfängt.

Die Wetterprognose für diesen Tag war traumhaft: Wolkenloser Himmel bei bis zu 24 Grad. Und so verfärbte sich mit jedem Schwimm-Meter der Himmel von einem dunklem in immer helleres Blau. Die Sicht wurde so auf natürliche Weise langsam besser, doch war ich sehr froh in diesem noch diffusen Tageslicht keine getönte Schwimmbrille zu tragen. Das hätte die ohnehin schwierige Orientierung noch schwerer gemacht. Denn pünktlich zum Schwimmstart wurde die Beleuchtung des Schloss Oberhofen (Schwimmaustieg) ausgeschaltet! Es dauerte etwas bis ich das Führunsgboot mit den Kampfrichtern in orangenen Westen entdeckte und nicht mehr aus den Augen verlieren wollte. Dabei hatte ich alle Hände voll zu tun um auf Kurs zu bleiben, driftete ich doch immer weiter links in Richtung des Ufers. Mein Frösteln trotz angeblich 20 Grad Wassertemperatur verschwand zwar aufgrund der zunehmenden Frequenz meiner Kraulzüge, doch empfand ich es weiterhin als sehr kühl und anstrengend!

Inferno Triathlon - Schwimmausstieg - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Schwimmausstieg – Photo credit: Alpha Foto

Dabei sollte doch das Schwimmen das Einzige bei diesem Wettkampf sein, das flach war! Ich wusste zu diesem Zeitpunkt einfach nicht, daß ich gegen die Strömung der Aare anschwamm! Das erfuhr ich auch erst im Ziel! Doch so wunderte ich mich während des Schwimmens und noch auf den ersten Radkilometern über meine vermeintlich schlechte Schwimmzeit von 61 Minuten auf diese 3,1 Kilometer.

Bei meinen Triathlon Langdistanzen und  Seedurchquerungen benötigte ich für 3,8 Kilometer nie mehr als 63 Minuten. Was war hier und heute nur los? … Dieser Frage schien ich auf nebenstehendem Bild intensiv nachzugehen… es wurde Zeit, daß es in die Berge ging!

Wechsel 1 – 2 hm auf 300m.

Ich lief zügig – aber ohne Eile – an der Strandpromenade die gut 200 Meter zur höher gelegenen Wechselzone hinauf. Ich war über die Vielzahl an Zuschauern um diese Uhrzeit sehr überrascht und freute mich über Ihre Anfeuerungsrufe. Ein historischer Moment nahte. Zum zweiten Mal in meiner Triathlonkarriere nahm ich ein Handtuch aus dem Wechselbeutel 🙂 Das hatte ich das letzte Mal bei meinem ersten Olympischen Triathlon in Rodgau 2004 getan. Seitdem war Abtrocknen Zeitverschwendung! Doch heute gönnte ich mir diesen Luxus. Auch wenn es bereits 14 Grad Luftgemperatur hatte. Und es kam noch besser: Ich verzichtete auf meinen engen Triathloneinteiler und zog geschickt mein bereits mit Riegeln und Gel bestücktes Radtrikot aus dem Wechselbeutel. Eine vollwertige Radhose trug ich bereits unter dem Neoprenanzug. Es geht doch nichts über Komfort auf längeren Distanzen! Und so schob ich mein Rennvelo völlig ungewohnt in trockener Radkleidung der Strasse entgegen.

Roadbike – 2.145 hm auf 97k.

Zeit zum Einrollen blieb kaum. Bereits nach ca. 500 Metern ging es in die erste Rampe, die über vier Kilometer andauern sollte. Das Tempo vieler Athleten war selbst am Berg sehr hoch und verleitete zum Mifahren. Adreanalin und Euphorie waren spürbar, doch meine Vernunft hielt mich zurück! Ich hatte mir die Vorgabe gesetzt idealerweise im GA1- maximal im GA2-Bereich zu fahren. Zugegeben, das war zu diesem Zeitpunkt schwieriger für den Kopf als für die Beine!

Inferno Triathlon - Radkilometer 5 - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Radkilometer 5 – Photo credit: Alpha Foto

Neben einer hohen Grundlagenausdauer ist das Pacing und die Ernährung für lang andauernde konstante Leistungen wichtig. Beim Schwimmen ist eine Nahrungsaufnahme schwer machbar, beim Radfahren dafür umso einfacher. Deshalb legte ich mir eine Renn-Strategie zurecht, die beide Rad-Disziplinen – Rennrad und Mountainbike – als zentrale Phase beim Inferno zusammenfasste. Das hat mir übrigens auch nochmal klar gemacht, daß es sich beim Inferno Triathlon hinsichtlich der Belastungsdauer defintiv um eine Langdistanz handelt. Auf dem Papier ist das ja nicht unbedingt sofort ersichtlich.

Während des Radfahrens bereitete ich letztendlich ernährungstechnisch das Schwimmen nach, sowie das Laufen vor. Und berücksichtigte natürlich die erforderliche Nahrungsaufnahme für´s Radfahren selbst!

Etwa 80g Kohlenhydrate pro Stunde standen auf dem Plan. Dabei berücksichtige ich den weit verbreiteten Leitspruch „von flüssiger zu fester zu flüssiger Nahrung“! Was soviel wie ein Riegel, ein Gel und ein großer Schluck aus der Iso-Zauberflasche pro Stunde bedeutete. Die Langdistanzathleten unter Euch kennen das ja, nach der dritten Belastungsstunde läßt der Speichelfluß nach und das Schlucken wird umso schwerer. Trotzdem drückte ich mir Stunden um Stunde Riegel und Gels in den Mund, zerkaute gut und spülte mit Wasser und Iso nach. Mein Magen sollte eine gewisse Subtanz zur Verfügung haben, um später – auch ohne viel Blut – besser arbeiten zu können.

Inferno Triathlon - Beatenberg ... der erste Anstieg ist vollbracht - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Beatenberg … der erste Anstieg ist vollbracht – Photo credit: Alpha Foto

Laut Wettkampfordnung war Windschattenfahren zwar verboten, doch ganz so eng sahen es viele Athleten nicht. Besonders auf den flacheren Abschnitten bildeten sich schnell kleinere Gruppen und fuhren konstruktiv zusammen. Ich wollte keinen Aufenthalt in einem Penalty-Zelt riskieren und hielt mich an den Mindestabstand von 10 Metern Abstand.

Nach dem ersten ernst zu nehmenden Anstieg nach Beatenberg ging es rasant wieder hinunter auf Höhe des Thuner See, durch Interlaken in Richtung Brienz und Willigen. Dort sollte der erste längere Anstieg über ca. 18 Kilometer Länge zur Große Scheidegg auf 1.962 Metern beginnen. Mir war klar, daß ich von dort die nächsten 1,5h im Berg fahren würde. Und das war lediglich der erste Streich, der zweite gleicher Art wartete beim Mountainbiken auf mich.

Inferno Triathlon - Auf der großen Scheidegg - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Auf der großen Scheidegg – Photo credit: Alpha Foto

Hinauf zur Glroße Scheidegg folgte ich weiterhin meiner Devise „ideal GA1 – maximal GA2“ und versuchte mich im Anstieg zu entspannen, locker zu kurbeln und so meinen Puls weitestgehend niedrig zu halten, um nicht zu viel Energie zu verbrauchen.

In einem extrem steilen Abschnitten, ungefähr zwei Kilometer vor der Passhöhe, erlebte ich Surreales. Ich blickte auf die geteerte Straße und sah Dutzende von Tropfenflecken. Ich dachte sofrot es tröpfelt und ein Regenschauer ziehe auf. Irritiert schaute ich hinauf und sah aber nur wolkenlosen blauen Himmel über mir. Keine Spur von Regen! Nach einigen weiteren Pedalumdrehungen rann mir der Schweiß in Strömen über das Gesicht und verließ tropfend über Stirn und Nasenspitze meinen Körper. Die Tropfen sprangen vom Oberrohr meines Rennrads ab und fielen zu Boden. In diesem Augenblick wusste ich woher die vermeintlichen Regentropfen auf der Strasse kamen: Es waren die gleichmäßig verteilten Schweißtropfen der Inferno Triathleten! Die Anstrengung des Inferno Triathlon zeichnete Ihre Tropfenmuster auf den heißen Teer!

Immer noch fasziniert von diesem Schauspiel rollte ich über die Passhöhe, atmete durch und begab mich in die Abfahrt nach Grindelwald. Nur einige scharfe Kurven, zwei Kühe und ein Auto – das mir die Vorfahrt nahm – zwangen mich zum Bremsen.

Wechsel 2 – 0 hm auf 150m.

Nach ca. 4:21h im Sattel übergab ich dem freundlichen Helfer in der zweiten Wechselzone mein Rennvelo und stöckelte in Richung meines Mountainbikes. Dort angekommen musste ich lediglich Schuhe tauschen sowie weitere Nahrung in den Trikottaschen verstauen. Ein Dixie-Klo war dankenswerterweise keine 10 Meter entfernt, so daß ich nach nur 2 Minuten und 31 Sekunden später erleichtert auf meinem Mountainbike saß.

Mountainbiking – 1.180 hm auf 30k.

Ich genoß die ersten 300 flachen Meter. Ohne großes Vorgeplänkel begann der zweite 1,5 stündige Anstieg zur kleinen Scheidegg. Ich war ja auch schon warm gefahren… doch dieser MTB-Abschnitts war echt happig! Der steile Aufstieg zur Kleinen Scheidegg ist gut 1.100 Höhenmeter hoch und ca. 11 Kilometer lang und nur anfänglich asphaltiert. Danach folgen Schotterwege bis zur Passhöhe. Als wäre das nicht hart genug, wird der Weg ganz am Schluss nochmal besonders steil. Zu wenig Antritt, falsche Gewichtsverteilung, ein Fahrfehler oder schlicht zu wenig Kondition zwingen einen sofort zum Abstieg. Und Aufsteigen an derartiger Steigung ist kaum möglich!

Mental hatte ich auf dem letzten Kilometer vor der Passhöhe meinen Tiefpunkt erreicht. Die Beine waren schwer, der Geist müde und die Nahrungsaufnahme wollte auch nicht mehr so gut funktionieren. Mein Puls stieg und stieg … zu diesem Zeitpunkt überholte mich mein Vereinskollege Robert Schwencker vom Forstenrieder SC München und ich war um diese Ablenkung sehr dankbar! Er wirkte motiviert und optimistisch und zog mich so förmlich aus meinem mentalen Tief und die Steigung hinauf. Danke, Robert, das war bestes Timing 😉

Inferno Triathlon - Auf der kleinen Scheidegg - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Mit Robert auf der kleinen Scheidegg – Photo credit: Alpha Foto

Die Kulisse bei alledem war atemberaubend, direkt hinter uns ragte der Eiger mit seiner mächtigen Nordwand in den Himmel, links davon war der Mönch zu sehen, und noch etwas weiter bildete die ver­gletscherte Jungfrau den Abschluss.

Vorbei am berühmten Hotel Bellevue des Alpes begann direkt die lange Abfahrt über Wengen ins Lauterbrunnental. Gleich unterhalb der Bahnstation der Wengernalpbahn (der längsten Zahnradbahn der Welt) folgten wir auf Schotterwegen durch Wiesengelände. Schliesslich mündete die MTB-Strecke in ein Forststrässchen, welches bis kurz vor Wengen gefahren wurde. Robert´s Abstand im Downhill wurde mit jeder Sekunde größer. Die MTB-Strecke bog links über ein Wiesen-Abschnitt in einen anspruchsvollen Single-Trail-Abschnitt ein. Es war fahrerisches Geschick über etliche Wurzel-Passagen gefragt und von Robert nur noch eine Staubwolke zu sehen. Der Pfad schlängelte sich über steile Spitzkehren vom Wengener Hochplateau hinunter ins Lauter­brunnental. Die letzten 5 Kilometer führten an den Trümmelbachwasserfällen vorbei über geteerte Staatstrasse nach Stechelberg zur Schilthornbahn Talstation.

Wechsel 3 – 0hm auf 100m.

Ich war inzwischen ganz froh, daß das Gekurbele ein Ende hatte und nun das MTB gegen Laufschuhe tauschen dürfte. Inzwischen waren über 7,5h Stunden seit dem Start in Thun vergangen und mir war klar: Das Rennen hatte noch längst nicht richtig begonnen! Es war bisher alles nur „Vorspiel“. Passend bei diesen Gedanken stand ich nackt im Wechselzelt und entledigte mich meiner salzverkrusteten Radbekleidung. Ich hatte mich für den letzten Abschnitt frische Kleidung in Form von Slip, Laufhose und mein Kiwami Racing Team Shirt entschieden. Alle weiteren Allwetter- und Verpflegungs-Utensilien waren bereits im Laufrucksack verstaut. Diesen zog ich mir über, erklomm das steinerne Bachbett der Weißen Lütschine, lief nach wenigen Metern über eine Brücke auf das andere Bachufer und lief mich in Richtung Lauterbrunnen ein.

Trailrun – 2.175 hm auf 25k.

Inzwischen befand ich mich auf 862 Metern über dem Meer und durfte nun auf 2.970 Meter hinauf steigen. Die ersten fünf Kilometer von Stechelberg nach Lauterbrunnen an der Weißen Lütschine entlang waren flach und einfach zu laufen. Ich musste mich immer wieder zügeln, da eine Pace von 4:40 min./k bei 148 Herzschlägen einfach zu schnell bzw. zu hoch waren. Währendessen musste ich erneut an Marc Pschebizin denken.

Ich hatte Marc Pschebizin bei der Deutschen Meisterschaft in Schalkenmehren vor einigen Wochen angesprochen und um Tipps für den Inferno Triathlon gebeten. Man muss wissen, daß Marc den Inferno Triathlon zwischen 1999 und 2012 10x gewonnen hatte. Im Laufe des sehr netten und entspannten Gesprächs sagte er mir, daß seines Erachtens das Rennen ab der Grütschalp anfing. Ich nickte nur und nahm das in Gedanken mit. Als ich mich dann aber wenige Tage später zu Hause im Detail mit der Rennplanung des Inferno Triathlon beschäftigte, sah ich, daß sich die Grütschalp bei Laufkilometer 11 befand. Da erst realisierte ich, daß nach Aussage von Marc der Inferno Triathlon nach einer Renndauer von ca. 9,5h begann!!!! 😎

Inferno Triathlon - Mürren ... laufen ist wieder möglich - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Mürren … laufen ist wieder möglich – Photo credit: Alpha Foto

Ganz ehrlich: Ich hatte über Tage hinweg den Impuls mich vom Inferno Triathlon abzumelden!
Im Nachhinein muss ich sagen „Danke, Marc!“. Dieser Satz hat mich vor einem Überpacing bewahrt und in´s Ziel gebracht!

Von Laufkilometer 6 bis zur Grütschalp (1486m) war Kampfwandern angesagt. Will heißen mit 140er Puls so stramm wie möglich den steilen Waldweg hinauf zu gehen! JETZT fing der Inferno an! Es wurde erfreulicherweise etwas flacher und flüssiges Laufen war bis Winteregg – Laufkilometer 13 – wieder möglich. Bis auf einige steile Trail- und Schotterweg-Abschnitte konnte ich auch bis zum Bergdorf Mürren (1640m) flüssig laufen. Mehr als eine 5:30er Pace war aber auf diesen Terrain und in meinem Zustand nicht mehr drin. Die Wanderer, Gäste und Anwohner des autofreien Dorfs feuerten alle Inferno-Teilnehmer frenetisch an. Das tat gut! Wobei die Anzahl an Athleten um mich herum mit jedem Meter schwand. 

Am Ortsausgang Mürren wurde es wieder still und steil. Acht Kilometer und ca. 1.200 Höhenmeter warteten noch darauf bewältigt zu werden. Über diesen Teil des Rennens kann ich nur sagen, daß ich eine neue Definition von „steil“ erfuhr! Schon irre, daß es keinen weiteren Ausdruck dafür gibt! Insbesondere an dem berühmt-berüchtigten Kanonenrohr musste ich mich so in den Berg lehnen, daß ich nicht umkippte. Mein ausgestreckter Arm war an dieser Passage zehn Zentimeter vom Boden entfernt war! Auf allen Vieren zu gehen dürfte fast einfacher gewesen zu sein!

Kurz danach setzen Krämpfe in der vorderen Scheinbein- Muskulatur ein. Schnell zerkaute ich eine Salztablette, stapfte weiter und hoffte nur, daß das Natrium schnell dort unten ankam. Eigentlich wunderte ich mich nicht wirklich darüber, lediglich die Stelle bzw. der Muskel der krampfte machte mich sprachlos! Ich dachte mir nur: „So etwas wie hier kann man nicht trainieren, das muss man erleben!!“

Inferno Triathlon - die Kletterpartie beginnt - photo credit: Swiss Image
Inferno Triathlon – die Kletterpartie beginnt – Photo credit: Swiss Image

Die 11. Stunde begann und es waren noch ca. 3k zu bewältigen. DREI KILOMETER! Das laufe ich im flachen Terrain auf einer Arschbacke in Stöckelschuhen (ich sah das Verbotsschild erst einige Minuten später 😉 )! Dabei blickte ich auf meine GPS-Uhr und sah meine aktuelle Pace: 27 Minuten pro Kilometer. Ich war (noch) voll bei Sinnen und begann leicht panisch zu rechnen … 3x 27 Minuten … ist gleich …. Oh NEIN!!! Das kann nicht sein!!! Am liebsten hätte ich los geheult, denn wir war klar, daß selbst in Carbon Wettkampfschuhen das Ziel noch in weiter Ferne war! 

Inferno Triathlon - Keine Bildunterzeile erforderlich ;-) - photo credit: Dr. Robert Schwencker
Inferno Triathlon – Keine Bildunterzeile erforderlich 😉 – Photo credit: Dr. Robert Schwencker

Und so kletterte, kampfwanderte und schlitterte ich weiter über Schneefelder und schroffes Felsgestein. Mit immer müderen Geist aber zumindest krampffreien Beinen stapfte ich unermüdlich dem Himmel entegegen. Der Wind nahm zu, die Luft wurde kühler und den letzten Kilometer kann ich kaum beschreiben. Seht einfach selbst die Bilder und das Kurzvideo:

Inferno Triathlon - sieben Höhenmeter vor der Piz Gloria - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – sieben Höhenmeter vor der Piz Gloria – Photo credit: Alpha Foto

 

Inferno Triathlon - BIB 268 durchquert das erste Schneefeld - photo credit: Swiss Image
Inferno Triathlon – BIB 268 aka Robert Schwencker durchquert das erste Schneefeld – Photo credit: Swiss Image

 

Inferno Triathlon - drei Höhenmeter vor der Piz Gloria - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – drei Höhenmeter vor der Piz Gloria – Photo credit: Alpha Foto

 

Video credit: Andrea Stenke (mein Wimmern habe ich gegen coole Musik ausgetauscht ;-))

Ziel.

Inferno Triathlon - Hinter der Finishline - photo credit: Alpha Foto
Inferno Triathlon – Hinter der Finishline – photo credit: Alpha Foto

Unfassbar! Ich war da! Schon von weitem hörte ich den Moderator und konnte es kaum galuben, als ich am Fuße der Metalltreppe stand, die vom schroffen Felsgestein des Schilthorn hinauf auf die betonene Aussichtsplattform des Piz Gloria führte. Zuerst etwas verhalten, aber dann umso entschlossender erklomm ich die Stufen.

Applaus, Klatschen, Musik aus Lautsprechern, mein Name und ich joggte wie selbstverständlich zum Zielbogen und über die Finishline des Inferno Triathlon!

Tja, 11 Stunden 48 Minuten und 19 Sekunden waren nun vorbei. Mein persönlicher Sieg, mein persönliches Inferno Triathlon Abenteuer war vorbei! Ein unbeschreibliches Gefühl, ein unglaublich intensiver Tag! Das „Durchalten“ war vorbei und zeitweise extrem hart. Als im Ziel kein Durchhalten mehr erforderlich war, fiel nicht nur die Anspannung dieses außergewöhnlichen Wettkampfs von mir ab, sondern viel mehr. Wir wurde plötzlich klar, daß ich auch in anderen Lebenslagen schon seit längerer Zeit durchalte … das sind andere Geschichten … und mein Bewußtsein schärfte sich – ein unbeschreiblich klares Gefühl voller Demut und Dankbarkeit! Mir kamen die Tränen! Eine Helferin kam auf mich zu und reichte mir meinen After-Race-Beutel. Erst jetzt merkte ich wie kalt mir war. Kein wunder bei Windböen und 8 Grad Außentemperatur.

Alle Detaildaten zu meinem Rennen gibt es hier: https://www.datasport.com/live/gold/?a=N3P89L3FC
Ich belegte den 50. Gesamtrang von 202 gemeldeten Athleten, dabei kamen 22 (DNS) nicht zum Start und 33 (DNF) nicht in´s Ziel. In meiner Altersklasse „AK 2 extended (1976 – 1967)“ wurde ich 9. von 62 Teilnehmern mit 8 DNS und 12 DNF. Ein für mich unglaublich solides, gutes Ergebnis!

Mit einer beindruckenden Zeit von 8h 47 Minuten gewann Samuel Hürzeler zum 7. mal den Inferno Triathlon. Den zweiten Platz belegte Stefan Graf vor Sami Götz! Bei den Frauen gewann Petra Eggenschwiler knapp unter 10h vor Barbara Bracher und Alexandra Zürcher.

ABER: Glückwunsch und Respekt ALLEN INFERNO-FINISHERN 2021! Ich weiß, was Ihr geleistet habt!

Die Inferno-typische Zusammenfassung vom Schweizer Kabelfernsehen Bödeli AG könnt Ihr hier sehen:


Inferno Triathlon

Typ: Berg-Triathlon
Distanz: 3,1 – 97 – 30 – 25k


Datum: 21. August 2021
Nenngeld: 530 CHF

Schwimmstrecke:
Durch den Thuner See vom Strandbad Thun nach Oberhofen; Wassertemperatur am Wettkampftag ca. 20°, die Verwendung von Neoprenanzug war erlaubt, gefühlt sehr kaltes, grünlich blaues Seewasser mit ca. 1 Meter Sichtweite; klare Schwimmbrille empfohlen aufgrund der Startzeit von 06:30 Uhr; die Orientierung ist nicht ganz so einfach da wenige Bojen; Achtung: die Schimmstrecke verläuft gegen die Strömung der Aare;


Rennrad-Strecke:
Vom Schloß Oberhofen (585 m) über den Beatenberg (1.129 m) nach Interlaken (568 m) entlang am Brienzer See über die Große Scheidegg (1962 m) nach Grindelwald (1034 m); Straßenqualität gut, stellenweise sehr rauher Belag, aber grundlegend gut zu fahren; Sehr anspruchsvolle Strecke mit Passagen bis zu 15% Steigung, insgesamt sind 2145 hm zu bewältigen; 


MTB-Strecke:
Von Grindelwald (1034 m) über die kleine Scheidegg (2061) nach Stechelberg (910 m) am Fuße des Schilthorn; Die ersten 11k des ca. 12k langen Anstiegs zur kleinen Scheidegg ist geteert, der letzte Kilometer verläuft auf Schotterwegen und ist teilweise extrem steil; die Abfahrt nach Stechelberg über Wengen ist schnell und verläuft teilweise über anspruchsvolle Single-Trails; von Lauterbrunnen bis Stechelberg sind die restlichen 5k über geteerte Landstrasse zu fahren; insgesamt sind 1180 hm zu bewältigen; 


Laufstrecke:
Extrem anspruchsvolle Laufstrecke über Lauterbrunnen, Mürren auf das Schilthorn, das Ziel befindet sich auf der 2970 m hohen Aussichtsplattform Piz Glora; die ersten 5k bis Lauterbrunnen sind flach auf geteertem Weg gut zu laufen; im Anschluss geht es auf Schotter,- Wald- und Wiesenwegen sowie Trailabschnitten hinauf nach Mürren (1640 m); ab der  Grütschalp ist flüssigen joggen wieder halbwegs möglich – kurz nach Mürren, ist wieder „Kampfwandern“ angesagt; die letzten Kilometer verlaufen über extrem anspruchsvolles Gelädnde – teilweise Klettersteige, Schnee- und Geröllfelder;  insgesamt sind 2175 hm zu bewältigen bevor man die Treppe zur Piz Gloria erklimmt;

Organisation
95%
Strecke
95%
Publikum
95%
Erlebnis
95%

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